Der Tribe ist und bleibt eine der einfluss- und erfolgreichsten Hip Hop-Gruppen aller Zeiten. Als Aushängeschild der Native Tongue-Posse zälen sie zu den ersten, die dem Conscious-Rap einen Namen gaben. Zudem sind sie so bekannt und in ihrem jazzigen Vibe so tanzbar, dass sogar so manche Mutter in ihrer Aerobic-Gruppe zu "Can I Kick It?" ihre Fitness trainiert.
Der Stamm gründet sich 1988. Oftmals wird unter den Tisch gekehrt, dass das vermeintliche Trio seine ersten Schritte als Quartett macht. Neben Phife Dawg, Q-Tip und Ali, die in den 90ern zu Hip Hop-Größen reifen, ist bis 1991 Rapper Jarobi Stammesmitglied. Er geht musikalisch eigene Wege, bleibt dem Rest jedoch weiterhin als Freund und steter Begleiter erhalten.
Q-Tip, mit bürgerlichem Namen Jonathan Davis, ist der eher passive und introvertierte Rapper im Stamm. Trotzdem macht sein nasaler Flow einen großen Part des Tribe-Sounds aus. Malik Taylor aka Phife Dawg gilt als das ungehobelte Gegenstück zu Tip. Um die beiden herum schwebt das musikalische Genie des Produzenten Ali Shaheed Muhammad. Er hat den Jazz gepachtet. Niemand vor und nach ihm zauberte ähnlich entspannte Songs wie etwa "Hot Sex" oder "Bonita Applebum".
Die Jungs treffen sich in der High School. Zusammen mit ihren Vorbildern und Freunden der Jungle Brothers entdecken sie die Welt des Raps für sich. Die Jungle Brothers sind es auch, die für den Crewnamen verantwortlich zeichnen. In jenem steckt ihre eigene Philosophie: Der Mensch ist der ewig Suchende, der sich auf dem Weg zum eigenen Selbst immer wieder neuen Fragen stellen muss.
Zwei Jahre später debütieren A Tribe Called Quest mit ihrem ersten Meilenstein. Der stellt die Hip Hop-Landschaft auf den Kopf. Die vom Gangsta-Rap zu Stahl gewordenen Gemüter schmelzen bei solch entspannter Musik nur so dahin. Der lockere Aufbau, gestützt auf ein simples aber doch festes Rhythmus-Gerüst, wirkt so fresh wie nie zuvor. Denjenigen, die nach aussagekräftigen Texten im Rap verlangten, stehen die Freudentränen in den Augen. Das Debüt wirkt fast schon zu verspielt und innovativ, überzeugt aber trotzdem durch Hits wie "Can I Kick It?" oder "Bonita Applebum" vollends.
Ein Jahr später legen ATCQ noch einen drauf. "The Low End Theory" ist ein Manifest und wird bei zahlreichen Heads immer noch als das beste Hip Hop-Album aller Zeiten angesehen. Ali produziert weiterhin nach dem Schema 'Intensität durch Reduktion' und braucht nur einen Beat, eine Bassline und sonst nichts.
Die beiden Rapper ergänzen sich so perfekt, dass man denkt, es handele sich um ein und dieselbe Person, die fortwährend mit ihrer Schizophrenie zu kämpfen hat. Die Zusammenarbeit mit Jazz-Legende Ron Carter unterstreicht einmal mehr die tiefe Verwurzelung des Tribes im Jazz. Dass die Songs auch nach Jahren noch aktuell sind, sieht man an "Scenario". Schon damals featuret der Track den völlig unbekannten Busta Rhymes und rockt jede Tanzfläche. Busta selbst bleibt ein Begleiter des Tribes und wird auch gerne immer wieder dort aufgenommen.
So auch auf dem nächsten Longplayer des Trios. "Midnight Marauders" ist deutlich gereifter und überlegter als die eher intuitiven Vorgänger und verkauft sich blendend. Ali, Q-Tip und Phife sind sich zunehmend ihrer Fähigkeiten bewusst und setzen diese auch ein. Der Hörer wird von einer Art Reiseführer durch den Kontext geleitet. Erstmals gewinnen nicht Q-Tips Raps die Überhand, sondern Phife steuert zu gleichen Anteilen seine Reimarbeit bei. Besonders der Track "Award Tour" avanciert zu einer Hymne unter Fans, die immer lauter nach einer ausgiebigen Tour verlangen.
Das Flehen wird erhört. 1994 gehen A Tribe Called Quest gemeinsam mit den Native Tongues und den Beastie Boys auf die legendäre Lollapalooza-Tour und spielen mehrere Konzerte für die Unabhängigkeit Tibets. Die offene Künstlerformation Native Tongues bildet für den Tribe von Anfang an eine große Familie. Um den Ziehvater Kool DJ Red Alert tummeln sich verschiedenste Künstler wie De La Soul, die Jungle Brothers, Afrika Bambaataa oder Queen Latifah und folgen einem zentralen Gedanken: Sie wollen durch ihre Musik positive Nachrichten verbreiten, ohne die harsche Realität der Straße, in der der Hip Hop geboren wurde, zu vernachlässigen. Daneben pflegen A Tribe Called Quest eine sehr enge Verbindung zur Zulu-Nation.
1996 bringt "Beats, Rhymes and Life" die Ernüchterung. Enttäuschenderweise klingt die Scheibe für ATCQ-Verhältnisse langweilig und wenig durchdacht und kommt an die vorangegangenen Meisterwerke nicht annähernd heran. Die zwei MCs wirken ausgehungert. Haben sie in der Vergangenheit noch so harmonisiert, scheinen sie sich jetzt fast anzugiften. Der Tribe hat seinen jugendlichen Leichtsinn verloren: Der Longplayer markiert den letzten Schritt ins Erwachsensein.
Das darauffolgende "The Love Movement" reiht sich ebenfalls nicht in die Klassiker-Riege ein. Die Voraussetzungen stehen aber auch denkbar schlecht. Vor der Veröffentlichung brennt das Haus von Q-Tip samt Studio nieder, der Release verschiebt sich mehrfach. Trotzdem wird weitaus weniger von einer Enttäuschung gesprochen als beim Vorgänger.
Dennoch geben die drei Stammes-Mitglieder 1998 bekannt, im Anschluss an die Promotion von "The Love Movement" getrennte Wege gehen zu wollen. Die Enttäuschung darüber kennt nahezu keine Grenzen, die Hip Hop-Welt hat eine ihre innovativsten Kraft verloren.
Schon etwa ein Jahr nach der Auflösung der Band spricht Phife Dawg über eine mögliche Reunion. Gegenüber dem Intro-Magazin äußert er sich zu seiner Sicht der Dinge: "Tief im Herzen denke ich, dass es passieren wird." Doch erst im Juni 2003 werden die Pläne konkreter. Wiederum Phife lässt verlauten, dass die Jungs definitiv an einem neuem Tribe-Album arbeiten. Gute Nachrichten.
Im August 2008 verkündet Q-Tip im Interview, es werde niemals zu einer Reunion kommen. ATCQ wollen nicht eine dieser Bands sein, die nach 15 Jahren ein Comeback versuchen. Trotzdem will man weiterhin gemeinsam Live-Auftritte absolvieren. Meist im Trio, tatsächlich auch ab und an auch zu viert mit Jarobi im Gepäck, steht der Tribe tatsächlich auf der Bühne.
Natürlich hoffen Fans weltweit, dass Tips Aussage eben doch nicht so gemeint war. Immerhin veröffentlicht der Ende 2008 nach fast zehn Jahren das Solo-Album "The Renaissance", das auf herrliche Art und Weise an die gloreichen Zeiten von "Midnight Marauders" anschließt. Es wird also doch alles gut.
1998-2009 LAUT AG